Meine Kunst™ ist viel perverserer als Deine





Ich weiß nicht ob es an an der aktuellen Lage der Sterne liegt, oder am miesen Wetter da draussen oder an der Tatsache dass das Fernsehprogramm immer grottiger wird, aber in den letzten Tagen ist bei einigen Bloggern vermehrt der Drang zu beobachten, etwas Schlaues über Aktphotographie schreiben zu wollen.

So klärt uns mit Alexander Goder (“digitalefotoschule.de“) endlich einmal jemand über die Tatsache auf, dass Aktfotos keine Kunst sind. Und Martin Gommel, seines Zeichens Head Honcho bei kwerfeldein, vermittelt unter der Überschrift “Pervers” seine Einlassungen über die kausalen Zusammenhänge von blöder Fotografie und blödem Frauenbild.

Als ich von den Artikeln erfuhr, war ich zunächst hochinteressiert, ist es doch schon lange meine Meinung, dass Aktphotographie – insbesondere jene die im WWW in Fotografie-Foren und Blogs und Mausi-Karteien™ anzutreffen ist – einen gewissen Diskurs dringend nötig hat.

Doch wie ich schon bald feststellen musste, birgt das Schreiben über diese Dinge unzählige Gefahren. So z.B. die Gefahr, nur Gemeinplätze und Amazon-Affilliate-Links präsentieren zu können (digitalefotoschule.de), oder dass man lieber PageRank-wirksam an der Oberfläche kratzend auf die Kacke haut und polarisiert, statt sich tiefer und eingehender mit den eigentlichen Problemen auseinanderzusetzen (kwerfeldein.de).

Und da mein PageRank (momentan: 3) auch eine dringende Steigerung nötig hat*, und ich zu den beiden Artikeln mehr zu sagen habe als ein simpler Kommentar darunter, möchte ich mich hier gerne ein bißchen damit auseinandersetzen.

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1. Warum Aktfotos keine Kunst sind

Im Falle von digitalefotoschule.de ist das glücklicherweise recht einfach. Der Autor beschreibt sich im Impressum als einen Menschen, der Kunst “lebt und atmet”, und beruhigenderweise ist weiterhin über ihn zu erfahren, dass Kameras “für Ihn (sic) nur ein Mittel zum Zweck” sind, denn “künstlerisches Sehen” entstehe “im Kopf”.

Derart mit Kunst™ ausgestattet, ist es natürlich ein Leichtes, zunächst mal die Wikipedia-Definition von Aktphotographie zu nehmen und zu erzählen, dass das alles Humbug sei. Aktphotographie, so erfahren wir, habe sich seit Eugène Durieu größtenteils nicht mehr weiter entwickelt, und habe ganz allgemein den Beigeschmack von Fotografen, die “eigentlich nur ‘nen nackten Arsch sehen wollen”.

Natürlich bekommen wir nicht nur schön die Beweggründe von Aktphotographen vermittelt, nein, wir bekommen auch gleich noch definiert, was keine Kunst sei, nämlich:

Keine Innovation + kein Diskurs = kein Künstler, also keine Kunst. Q.E.D. So einfach ist das.

Tja, das muss man erst mal wirken lassen. Endlich sagt das mal jemand.

Und nachdem das endlich mal gesagt wurde, verallgemeinert der Artikel noch ein bisschen mehr, und setzt dann, ohne jemals wirklich in die Tiefe gegangen zu sein, mit den Worten “Wer mehr zu dem Thema: ‘Was ist [gute, oder auch schlechte] Kunst’ erfahren will, findet in diesen beiden Büchern eine Menge Antworten” an geschickter Stelle zwei Amazon-Affiliate-Links, was mich zu meiner eigenen Kunstdefinition bringt:

Keine Aussage + leicht durchschaubare Provokation + Amazon-Affiliate-Links = Kunst. Q.E.D. So einfach ist das.

Man kann sich an dieser Stelle natürlich fragen, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, diesen Artikel zu besprechen, denn zum Schluss weiss man weder, was der Autor eigentlich sagen wollte, noch wem das alles was bringen soll… ausser natürlich, man kauft eines der angebotenen Bücher bei Amazon, dann hat es sich zumindest für den Autor gelohnt.

Die Antwort ist, ich mache mir die Mühe, weil der Autor leider die große Chance vertut, wirklich etwas zum Diskurs beizutragen und (durchaus kritikwürdige!) aktuelle Vorstellungen von Kunst und Ästhetik, die ihren Nährboden in Online-Medien, -Foren und Blogs finden, zu durchleuchten und zu analysieren.

All dies könnte man eigentlich tun, wenn man schon Kunst™ lebt und atmet und einem Artikel die Überschrift “Warum Aktfotos keine Kunst sind” gibt… aber stattdessen wird das Publikum mit plumpen Plattitüden geplagt, und zum Schluss bleibt es nur bei der Aussage “die machen das nur weil sie naggische Menschen sehen wollen” (Update 19.1.2013: …und im Interesse einer gesunden Diskussionskultur wird nach drei Tagen auch noch das trackback zu diesem Posting hier gelöscht).

Schade.

Naja, vielleicht macht es das große deutsche Fotografie-Magazin “kwefeldein” mit dem Artikel “Pervers” ja besser – was nun wirklich keine Kunst wäre.

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2. Pervers

Das große Problem mit diesem Artikel ist, dass viel Wahres darin steht, und man sich ganz schnell auf der falschen Seite der Diskussion (bzw. der Diskutierenden) wieder findet, wenn man die Ungereimtheiten daran zur Sprache bringt.

Aber der Reihe nach.

Martin Gommel ist sauer.

Er ist sauer, weil er sich mit ein paar Fotografen-Workshop-Anbietern und einem Modell zum Trinken getroffen hat. Und nachdem das Modell die Runde verlassen hatte, ließ einer der Workshop-Fotografen wohl den Satz “Die Hure würd’ ich gern ficken. Mann, bin ich geil.” vom Stapel.

So weit, so schlecht. Der Satz hat, wenn er denn wirklich genau so gefallen ist, nirgends was zu suchen (ausser vielleicht, wenn da wirklich eine Hure steht und ihre Dienste anbietet).

Der Autor macht im Folgenden die Feststellung, dass diese Denke auch gehäuft in der Bildsprache bestimmter Fotografen zum Ausdruck kommt (richtig), redet irgendwas über mittlerweile salonfähig gewordenen Porno-Stil (jetzt wird’s kompliziert) und kündigt irgendwann gegen Ende des Artikels an, dass er “des Weiteren keine Veranstaltungen, Workshops oder gar Foto-Webseiten mehr” besuchen würde, welche “die sexistische Darstellung von Menschen unterstützen” (und damit ist die Büchse der Pandora ganz weit offen).

Warum habe ich damit ein Problem?

In erster Linie deshalb, weil schwammige Definitionen wie “Porno-Stil” und “sexistische Darstellungen”, plus die Feststellung “alle nickten oder lachten” zusammen mit der Suggestion “einige von euch gehören sicher dazu” Moralapostel jeglicher Couleur ermutigt, diese Diskussion für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Wenn man sich die Kommentare (mittlerweile sind es deren stolze 175, hach, so ein PageRank ist schon ne feine Sache) zum Artikel durchliest, dann wird einem schnell bewusst, dass genau das auch prompt passiert ist:

  • Da hat jemand sein “Photographie”-Abo gekündigt, weil “zu 80% nackte oder spärlich bekleidete Frauen” vorne drauf sind. Oops, und schon ist nicht mehr die Rede von “Porno-Stil” oder “sexistische Darstellung”, es geht nur noch um das böse Nacktsein.
    (ganz davon abgesehen, dass die “Photographie” schon immer Nacktheit auf der Titelseite gezeigt hat… warum das Ding überhaupt abonnieren, wenn man darauf nicht klar kommt?)
  • Wieder andere wollen aus der Model-Kartei austreten. Warum?! Man kann über die MK mit Fug und recht so einige bitterböse Dinge sagen, aber das größte Problem der MK ist weder die ubiquitäre Sexualisierung noch das Überangebot an Porno-Style… sondern ein ganz anderes. Aber dazu gibt’s einen eigenen Artikel auf diesem Blog.
  • Ein paar Einträge weiter unten findet jemand ja den ollen Helmut Newton unter aller Sau. Genau, wenn wir schon über die mediokren Equipment-Onanisten der MK reden, dann können wir gleich noch Helmut Newton dazu holen, passt ja alles…
  • Es folgen unzählige Aussagen im Stil von “ich fibde (sic) es extrem schade dass so viele frauen sich für jeden mann mit kamera ausziehen und meide so gut es geht solche bilder.
  • und so weiter und so fort…

Tja, lieber Autor, wird Dir allmählich klar, was Du da angestellt hast? Richtig, gewisse Leute, und zwar nicht wenige, biegen sich die schwammige Kernaussage genau so zusammen, wie sie sie brauchen. Und dank der regen Diskussion steigern sich die Zugriffs- und Verlinkungszahlen in Bereiche, bei denen der massenbelichtungswaffen-Server schon längst alle Viere von sich gestreckt hätte.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es nicht im Grunde um durchaus ernsthafte und wichtige Themen gehen würde, nämlich das Frauenbild in unserer Gesellschaft, und um einen modernen, natürlichen und unverkrampften Umgang mit Sexualität.

Und eben diese Dinge werden meines Erachtens nicht in dem Maße durch workshop-anbietende Möchtegern-“Fotografen” bedroht, wie sie von Menschen bedroht werden, die

  • bei jedem Auftauchen einer nackten Brust in sozialen Netzwerken moralisch ganz empört auf den Blockwart-Button hauen,
  • vielleicht noch “iiih, igitt, was Nacktes, das gehört sich aber wirklich nicht!” rufen,
  • unter einem Artikel wie jenem auf kwerfeldein einen zustimmenden und betroffenen Kommentar hinterlassen, am besten mit der Ergänzung “und das sage sogar ich als Mann“,
  • wenn die Sprache auf Modelle kommt öfter mal von sich geben, dass sie “sowas ja nie tun” würden, weil “der Ruf ist ja dann dahin”
  • und im nächsten Schritt youporn aufmachen und sich einen von der Palme wedeln.

Damit wir uns nicht falsch verstehen, ein Modell als Hure zu bezeichnen, das geht gar nicht. Punkt. Und demjenigen, der so etwas sagt, sollte man eben genau in der Situation “Arschloch” entgegnen, und/oder man sollte seine Sachen packen und gehen. Um es mit Alexander Goder, ganz ohne Affiliate-Link, auszudrücken: So einfach ist das.

Aber in der Fotografie können wir nicht so leicht vorschreiben, was geht und was nicht geht. Zu fließend sind da die Grenzen. Was der eine für “pornös” hält mag für den anderen die natürlichste Sache der Welt sein.

Ich bin mit Nacktheit aufgewachsen. Mein Vater war ein verdammt guter Aktfotograf, und als ich noch klein war, war zeitweise jeden Tag ne andere nackte Frau zu Besuch bei uns. Das war in den Nach-68ern die normalste Sache der Welt und niemand hätte da je ein Gewese darum gemacht… und so ähnlich sehe ich es heute noch.

Wenn es nach meinem persönlichen Empfinden geht, dann muss ich bei kwerfeldein.de nur ein paar Artikel zurück gehen, um ein Posting zu finden, das ich für recht bedenklich und, ja, auch frauenfeindlich halte. Diese Magersucht-Ästhetik, dieses per Retusche erschaffene Kunstwesen, das nichts, aber auch gar nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hat, ausser dass es arme Leute auf die Idee bringt, es wäre erstrebenswert, so auszusehen… das halte ich persönlich für vollkommen daneben. Aber das bin ich persönlich.

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Und vieles, was beispielsweise auf der Model-Kartei und in der fotocommunity in den Himmel gejubelt und auf die Startseite gepackt wird, halte ich persönlich für ganz enormen Schrott… und ja, einiges auch für sexistisch und frauenfeindlich.

Aber ohne eine genaue Definition dessen, worüber uns wir aufregen, und der Gründe dafür, ist es nur allzu leicht, Dinge zusammenzuwerfen, die nicht zusammen gehören – und eine riesige Diskussion zu entfachen, in der sich der eine über eine entblößte Brust aufregt, und der andere darüber, dass ja noch das Gesicht zu sehen ist.


* Ich geb’ es wenigstens zu :)

28 thoughts on “Meine Kunst™ ist viel perverserer als Deine”

  1. Da kann man ja gar keinen mehr draufpacken, so gut hast Du das auf den Punkt gebracht. Einzig bei dem Retusche-Ding bin ich etwas anderer Meinung, aber andere Baustelle…

    1. Danke Dir. Jep, ich sage ja, das mit dem Retusche-Ding ist meine persönliche Ansicht ;-) Ist mir durchaus klar, dass das für sich gesehen ebenfalls diskussionswürdig ist…

    2. Ja, das mit dem Retuschierung ist eine Sache für sich. Ich mag das eigentlich gar nicht, aber als meine Frau letztens ein hochaufgelöstes Closeup ihrer selbst sah, nötigte sie mich den digitalen Retuschierpinsel in die Hand zu nehmen und nach gefühlten 264 Stunden Arbeit war sie hoch zufrieden. Aber wirklich wirklich ist das nicht. Und darüber diskutieren kann man bis in die Unendlichkeit.

  2. stimmt boris, da kann man kaum noch einen draufsetzen.

    was mir meint aufzufallen, was aber echt nur als these zu verstehen ist: durch die übersexualisierung der gesellschaft durch medien, web etc., nimmt eine art schamhafter, moralischer konservatismus zu.
    wenn ich an meine jungen freunde / bekannte denke (so zwischen 20 und 30), dann ist sex an sich schon eine schöne sache, aber nackt-sein gilt – bis auf den akt an sich – als eine unmöglichkeit. ich glaube nicht, dass das nur mit den in den medien gezeigten ideal-körpern zu tun hat, sondern mit einer zunehmenden scham – und auch dadurch kommen aktphotographen in verruf, eben keine kunst zu machen sondern ihre sexuellen perversionen auszuleben.
    aber da wir alle multi-pervers sind, ist es letztendlich eine größe dazu zu stehen.

    da du als mann im blog zu erkennen bist und jetzt noch nen halb nackten mann als bebilderung genommen hast, musst du leider damit leben, dass man dir natürlich jetzt auch unterstellte, dass du (mehr oder weniger) latent schwu bist … photographiere also nie ein kind am strand, denn dann …

    1. Ja, das mit der zunehmenden Scham beobachte ich auch. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob das so ein antizyklisches Ding ist, was hoffentlich irgendwann mal wieder besser wird… oder das der Weg ist, den unsere Gesellschaft gehen wird. Und vor allem ist es ja irgendwie so eine, sorry, ja, perverse Sache: Die Leute haben kein Problem damit, die grottigsten Bilder von sich (Badezimmerspiegel/Handy/Party/volleKanneDicht) freiwillig in soziale Netzwerke zu posten, aber zucken zusammen bei dem Gedanken, sich für eine Kamera auszuziehen… muss ich nicht verstehen… :-/

      Was mir unterstellt wird oder nicht unterstellt wird, damit kann ich sehr gut leben. Und Homophobie ist eh voll schwul ;-)

      Von wegen Kind am Strand fotografieren: Ich kenne Eltern, die von Passanten angepöbelt und zur Rede gestellt wurden, weil sie ihre eigenen Kinder fotografieren. Hätten sie das mit Handy und vollkommen unprofessionell gemacht, so wäre das sicher kein Problem gewesen, aber mit ner fetten DSLR und in Szene gesetzt, da muss ja irgendwas Übles vor sich gehen. Weia, die Welt ist echt leicht krank.

  3. Was mir da bei den Artikeln noch auffällt: ich halte es für bezeichnend, dass ebenjenen Leute, die da so ein offensichtliches 50-ger-Jahre-Bedürfnis haben, offensichtlich bei “Aktfotografie” nix anderes einfällt als “Nackte Frau”. Und da frag ich mich: wessen Denke ist da sexistisch…?

  4. Der differenzierteste Rant ever. Ab in meinen Feedreader.

    Ich habe auch länger überlegt, was diesen Artikel (Pervers) anging und stimme mit dir in den meisten Punkten überein. Im Grunde hat mich auch die Konklusion gestört, aber die Kommentare konnte ich mir beim besten Willen nicht antun.

  5. Grüß dich Herr K.;

    ich hab die Artikel auch gelsen und kann deiner Einschätzung hier in allen Punkten zustimmen.

    Vielleicht hat Urban Priol ja recht wenn er sagt (weiß lieder nicht mehr ob es in TILT 2010 oder 2011 war): Dass unsere Gesellschaft “oversext und underfuckt ist”. Das ist für alle Beteiligten sehr frustierend. Und da ist es doch eine gute Möglichkeit den Moralapostel aus dem Sack zu lassen, um seiner persönlichen Frustration ausdruck zu verleihen.

    Ja, ich weiß das ist jetzt sehr platt und verkürzt. Doch ich denke da steckt schon “eine Flamme Wahrheit” drin.

    Der Vorwurf der “Perversität” gegen etwas oder das Schaffen von Jemanden ist glaube ich so alt wie die Kunstkrtik selbst. Ähnliches hat man zum Beispiel Picasso vorgeworfen, als er am Anfang des 20ten Jahrunderts den Kubismus erfand. Kunst oder was die jeweilige Epochenbegleiter oder auch was die nachflogenden Generationen dafür halten ist kein fester und einfach zu definierende Begriff. Qualität, Erfolg, Originalität und Nachahmer können Indikatoren sein, um ein Werk auf seinen kunstgehalt im nachhinein hin zu überprüfen. Aber eine allgemeingültige Definition, die jedem Kunstwerk (Bildende Künste, Literatur, Architektur) gerecht wird kann und wird es nicht geben.
    Künstler, die heute hochverehrt sind waren zu ihren Lebzeiten häufig unbekannt oder auch in der Kunstkretik total verissen. Und Künstler die früher Stars waren sind heute vergessen. Was eine Epoche und ihre Zeitgeniesenden als “Pervers” einstufen ist doch sehr variabel.
    Nur ein Beispiel aus dem 19ten Jahrhundert. Eine völlig nackte Venus (Cabanel 1863) war moralisch kein Problem. Eine Olympia, die noch ein Halsband trägt (Manet 1863) war ein Skandal, weil hier ja eine entkleidete Frau (das Halsband ist Hinweis darauf, dass sie ja mal angezogen war) gezeigt wird.

    Was Kunst und Schönheit oder Pervers ist liegt doch immer noch im Auge des Betrachters.

    Es grüßt winkend

    Sven

  6. Sind es nicht genau diese Menschen (Männer), die erst Wikipedia Artikel zitieren/kritisieren, irgendwelche Künstler in die Runde werfen und von sich selbst behaupten, sie seien die allergrößten Künstler vorm Herrn…die dann anschließend ein Modell mit den Augen blickficken und solche Sprüche vom Stapel lassen?!

  7. Auch von mir danke für die Aufklärung nach dem Kwerfeldein-Rant.

    Allerdings: das ist nichts was meiner Wahrnehmung nach in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Wir haben hier ein Thema, was die Nerds beschäftigt. Die Wahrnehmung von Nacktheit und die Darstellung der Selbigen in der Alltagskultur werden sich durch solche kleinen Diskürschen schätzungsweise kaum ändern. Der Gender- bzw. Sexismusdiskurs ist an der Stelle weiter und auch lauter, mit vergleichbaren Ambitionen, allerdings ohne groß meine Stammtischkumpels zu beeindrucken.

  8. Ich habe nichts gegen Aktfotografie, aber Akt ist ungleich nackt und noch ungleicher “Sexistische Kackscheisse”. Von daher danke, dass es im Netz nun auch eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Thema gibt.

  9. prima, ich fand dies bigotterie bei gommel auch schrecklich. Die kommentare waren aber die krönung. Newton als perversen hinzustellen oder porno für krank zu halten…. leute kommt mal klar wir leben 2013

  10. Mal ein Statement von jemandem, der nicht für seine Aktfotografien bekannt ist ( genau genommen bin ich für nix bekannt – aber davon am wenigsten für Nackerte):
    Gleichmacherei ist Scheisse – das trifft auf beide Seiten zu. Natürlich gibt es Moralapostel, die einerseits fleissig “Mütze, Glatze” vor irgendwelchen Pornoseiten machen – und andererseits ebenso emsig die Fahne des moralisch Entrüsteten hochhalten. Andererseits geht mir die Nonchalance der Aktfotografen, mit der sie über Genderthemen hinweggehen auf den Senkel: Frage 100 Aktfotografen – und Du wirst (neben den schlichten “Ich steh nun mal auf Titten”-Exemplaren) mindestens genau so viel finden, die für sich beschlossen haben, dass es zwar Sexismus generell gibt – genau ausgerechnet ihre Fotografie nichts damit zu tun hat. Blöderweise sieht man das ihren Fotografien aber nicht an.

    Mir geht es aber weniger um den Genderkram, als die vielmehr um die Phantasielosigkeit, die mit Aktbildern oft einher geht: z.B. Stützstrümpfe so zu fotografieren, dass sie begehrenswert, einfach nur interessant, oder sonst irgendwie relevant erscheinen – das ist eine Herausforderung (hier bitte für “Stützstrümpfe” irgendeine unpopuläre Personengruppe/Sache einsetzen)! Die alte Weisheit “Titten gehen immer” ist jedoch nicht umsonst eine Solche. Ich finde es schlicht ermüdend und langweilig, immer wieder die gleichen Körperteile mir fremder Menschen per Softbox illuminiert vorgesetzt zu bekommen! Nicht weil es sexistisch, äbäh, oder sonstwas ist – sondern weil es einfach verdammt phantasielos erscheint, heute noch mit stimmungsvoll ausgeleuchteten Brüsten und Hintern (gerne in S/W, gerne vor dunklem Hintergrund – und gegen Glycerintropfen die toll das Licht reflektieren hat auch niemand was) auftrumpfen zu wollen. Das ist Handwerk – nicht Kunst. Denn für jeglichen Kunstanspruch fehlt irgendeine Form von Idee, Konzept oder eigenem Gedanken.
    Klappt aber anscheinend trotzdem: Sobald sich wohlgeformte primäre oder sekundäre Geschlechtsmerkmale auf einem Bild befinden, hagelt es positive Kommentare … und dann muss das Produzierte ja wohl verdammtnochmal hohe Kunst sein! Aktfotografen – lasst Euch einfach mal was Neues einfallen! Ist nicht so schwer – das schaffen die Fotografen anderer Themengebiete doch auch!
    Dann – aber erst auch dann reden wir weiter über Aktfotografie und Kunst.

  11. Man mag M. Gommels Artikel durchaus kritisch sehen, und auch die Aussagen und Kommentare zur Aktfotografie kopfschüttelnd begegnen – Ich finde seinen Schritt mutig, das Thema “sexismus” in seinem Magazin anzugehen. Ebenso finde ich doch einige Kommentare, auch diesen Beitrag hier, äußerst interessant, alles bringt meine Gedanke weiter. Alle mal besser, als davon zu wissen und darüber zu schweigen.

  12. @Mart – das Plädoyer für mehr Abwechslung ist ja legitim, das gilt aber eben nicht nur für Aktfotografie, sondern genauso für die X-millionste “einsamer Baum auf dem Hügel”-Fotografie und sämtliche anderen Genres auch. Die Schönheit des menschliches Körpers im Bild zu feiern, unabhängig ob Männlein oder Weiblein sollte einfach kein Problem darstellen. Ab welcher Stelle kommt denn Sexismus in der Fotografie zum Tragen? Wenn der/die Dargestellte zum reinen Objekt wird? Auch dafür kann es gute Begründungen geben.

    An der Definitionsfrage von Kunst haben sich schon viele probiert. Dem Fotografierenden vorab Idee und Konzeption abzusprechen halte ich für gewagt. Generalisierung bringt uns hier nicht weiter, dann müssen wir am harten Beispiel diskutieren!

  13. Diese Debatte um Sexismus in der Aktfotografie reiht sich perfekt in den langen Marsch zur (Selbst-)zensur und Selbstkastration in unserer demokratischen Diktatur und sterilen Gesellschaft ein. Sexualität bzw. Intimität ist tabu und schmutzig geworden in unserer Welt. Und wieso soll ich bitteschön nicht daran denken, die Venus von Milo in meinen Armen zu halten und zu liebkosen? Ist es denn so schlimm die Schönheit zu bewundern, anzubeten und sofern Konsens besteht auch zu konsumieren?

    Wenn ein Fotograf oder irgendein Mensch abfällig über ein Modell spricht, sollte man ihm mal seine eigene konträre Meinung direkt kundtun. Der Monolog in der Form des Artikels wird den notgeilen Fotografen nicht zum Umdenken bewegen. Aber wenn ein Mensch aus Fleisch und Blut ihm entgegnet, dass er sich doch eleganter ausdrücken solle wäre das sicher bereichernder für unsere Gesellschaft. Wir müssen MITEINANDER sprechen und mal unterschiedliche Meinungen akzeptieren, sofern die Menschenrechte Dritter nicht infrage gestellt werden. Dieser Konsenszwang der uns anerzogen wird ist völliger Mist!

    Ich sage lieber nichts mehr. So bleibe ich Teil dieser großen dummen Herde. Ich bin ein schwanzloses, triebloses Wesen, das wie ein Eunuch im Harem des Sultans, der Schönheit mit Schafsblick entgegne. Kunst ABER kann nur Kunst sein, wenn es freie Menschen gibt. Diese nehmen das Kunstwerk in sich auf und interpretieren es , ja füllen es auf wie ein Ballon mit Bedeutung und Gefühlen für sich selbst und begeben sich auf einer wunderschöne Reise!

    So long!

  14. Wie schon woanders geschrieben* , ich applaudiere stehend. Bestens wiedergegeben, und noch viel bestenster geblogged. Bravo dafür, und dann auch noch aus der Heimat :)

    *gute posts darf man auch an mehreren Stellen kommentieren

  15. Vielen Dank für den gekonnten Konter.
    Habe mich nach dem kwerfeldein-Artikel schon gekrümmt und gewunden und mich gesorgt,
    ob ich an der Produktion entarteter Kunst (endlich Godwin!) beteiligt wäre,
    oder allein die freudige Betrachtung solcher Machwerke mich schuldig macht.
    Dank Deinem Generalablass fühle ich mich befreit, obwohl ein leichtes Schaudern, ob der grauen Sittenwächter, die da im Dunkeln lauern, doch zurückbleibt.
    Gut ist, was legal ist, oder doch nicht, oder nur bei uns? Wo hört der Spaß auf? Lecker chinesische Foodfotografie vom gefüllten Hund?
    Darf man die vollbusige Dame zeigen, die auf der neuen Chopper Ihres Mechanikerfreundes die Beine spreizt und sich auf den Pirelli-Kalender wünscht?
    Darf man das analoge vollschlanke Topmodell im Hotelzimmer vor dem halb zugezogenen Vorhang mit Rückansicht zeigen, wenn sie 300EUR pro Tag nimmt, oder nur, wenn sie es für umsonst macht?
    Darf man die Narben auf den Armen eines Borderline-Mädchens zeigen und sie namentlich bei Facebook taggen, wenn sie sich damit züchtig die Brüste beim verdeckten Teilakt verdeckt?
    Oder macht man sie damit nackter und öffentlicher, als wenn man ihr, ohne Namen und Gesicht zu nennen, einfach den Hintern knipst?
    Darf man mit einem TFP-Vertrag alle Bilder veröffentlichen, auch wenn das Modell diesen Vertrag in einem Jahr oder zwei Wochen bereuen wird?
    Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nur im Moment oder auch auf alle künftigen Eventualitäten?
    Ich weiß es nicht und komme zu keinem Schluß. Es bleibt für mich ein Bauchgefühl, das ich im Rahmen der gesetzten Legalität und allgemeiner gesellschaftlicher Akzeptanz auslebe.
    Das Chopper-Mädchen und den zugehörigen Fotografen zu verurteilen steht mir nicht zu, auch wenn es mir nicht gefällt,
    genausowenig wie den grölenden Schenkelklopfer im Publikum noch den Empfindsamen, der sich beschämt abwendet.
    Also? Weitermachen.
    LG Cem

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