Entscheidungen





Darüber, dass 2011 ein ziemlich mieses Jahr für mich war, habe ich mich auf diesem Blog ja schon ausgelassen. Und auch darüber, dass sich was ändern muss, weil es so nicht weiter gehen kann.

Sich eine Änderung herbeizusehnen ist etwas, was sicherlich viele Menschen kennen… und auch die Schwierigkeiten, die gewünschte Änderung tatsächlich in die Tat umzusetzen… weil es dazu die eine oder andere Entscheidung braucht.

Und gerade ich habe mit Entscheidungen mittlerweile ein gigantisches Problem.

Warum? Das ist recht einfach… ich habe in meinem Leben ein paar davon viel zu leichtfertig getroffen, mit Konsequenzen, die entweder mein Leben oder meines und das Leben anderer Menschen nachhaltig negativ beeinflusst haben.

Der Verkauf des Hauses meiner Eltern vor zehn Jahren in Karlsruhe ist ein sehr gutes Beispiel. Aus Gründen, die zu erklären den Rahmen dieses Blogs locker sprengen würden, lag  die endgültige Entscheidung, ob dies tatsächlich geschehen solle, bei mir allein. Und ich hätte niemals zustimmen dürfen.

Herr K. in seinem letzten Sommer im Hexenhäuschen (2002)

Nicht nur, dass ich schlagartig mein Geburtshaus verlor… den Platz, an dem ich mich erden konnte, an dem immer alle Fäden zusammen gelaufen waren. Die erste Liebe. Die ersten richtigen Freunde. Die ersten Töne. Die erste Musik. Alles war mit diesem Platz verknüpft. Nicht nur, dass ich ein Stück Magie verlor (das Haus wurde nicht ohne Grund von unseren Besuchern oft als “Hexenhäuschen” bezeichnet), das ich niemals wieder fand, und das in dieser Form auch niemals wieder zu beschaffen ist. Nicht nur, dass weder meine Familie noch ich mir ein so ansehnliches Grundstück mitten in der Stadt, mit einer alten Scheune (inklusive Proberaum und Studio) und einem Fluss dahinter, jemals wieder leisten können werden.

Das Mäxle, eine von sechs Katzen. Ebenfalls 2002. Dabei hatte alles nur mit einer einzigen Katze begonnen... und allein das ist schon eine Geschichte, die locker ein Buch füllen würde...

Also kurz: Nicht nur dass ich etwas leichtfertig fortgegeben habe, was sich niemals wieder beschaffen lässt, nein, die ganze Angelegenheit beeinflusste auch das eh schon fragile Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir, sorgte dafür, dass wir uns noch mehr auseinanderlebten. Was jetzt, wo Alter und Krankheiten unerbittlich auf dem Vormarsch sind, anfängt, ein ganz gewaltiges Problem zu werden.

Der Hinterhof des Hexenhäuschens... Ganz rechts, hinter dem Efeu, habe ich gewohnt. Links in dem Anbau waren meine Küche und das Bad untergebracht, und mit der Leiter gelangte man ins Kakteenhaus. Im Anbau zum Anbau befand sich der Geräteschuppen, und um alles herum tummelten sich die Schildkröten, die hier im Sommer ihr Aussengehege hatten...

Und alles, was es gebraucht hätte, wäre ein simples “Nein” von mir gewesen! Wie oft erwische ich mich heutzutage dabei, mir auszudenken, was passiert wäre, wenn ich “Nein” gesagt hätte. Oder wenn ich jemanden zurückschicken könnte, der meinem alten Ich einfach mal kurz erzählt, wie alles geworden ist (es gibt übrigens ein ganzes Album, das sich beinahe ausschließlich mit diesen Themen beschäftigt. Es heisst “Grounded“…)

Das letzte Aktshooting im Hexenhäuschen, oder besser gesagt, im verwilderten Garten dahinter. Auch 2002.

Und das war noch nicht einmal das schlimmste mögliche Beispiel. Derlei Dinge gibt es noch so einige in meinem Leben. Leichtfertig getroffene Entscheidungen, die sich als katastrophal herausstellten. Zwar nicht mehr, als ich an einer Hand abzählen kann, aber es reicht, um jede weitere Entscheidung wirklich enorm schwierig zu machen.

Trotzdem habe ich dieses Jahr schon mehr wichtige und grundsätzliche Entscheidungen getroffen als die letzten fünf Jahre über.

Die erste davon betrifft meine Wohnung.

In meine jetzige Wohnung in Bonn bin ich damals, vor fünf Jahren, nur gezogen, um hier eine Wohnung zu haben, um den “Fuß in die Tür” zu kriegen. Eigentlich hatte ich nicht vor, hier länger als auch nur ein halbes Jahr zu bleiben… und dann wurden fünf Jahre daraus.

Hab ich mich hier jemals zuhause gefühlt?

Nein.

Willkommen im Meisengarten, dem momentanen K-Domizil. Ich frage mich ja schon, warum man in einer Straße, in der ein Haus 100% wie das andere aussieht, unbedingt Einspruch bei Google Street View erheben muss... aber nun ja, es passt irgendwie...

Passt diese Wohnung in der schönen, sauberen, stillen Wohnsiedlung im Meisengarten zu mir? Mit den peinlich sauber gehaltenen Gehwegen, die um 8 hochgeklappt werden? Den akkurat geschnittenen Hecken, den fein säuberlich gestützten Zierbäumchen und den pünktlich zum Herbstbeginn ausrückenden Armeen an Laubbläser-Zombies?

Nein.

Und, für die Botany Bay Fans, die hier mitlesen: Es gibt tatsächlich einen sehr konkreten Grund aus Fleisch und Blut, warum man zur Zeit so wenig von uns hört. Der Grund heisst Herr R., ist um die 80 Jahre alt, wohnt im Erdgeschoss, und droht (ohne überhaupt nur die Deeskalation zu suchen) im gleichen Satz wild durcheinander mit Anwälten, Polizei und der Gestapo, wenn ich in meiner Obergeschoss-Wohnung auch nur ein bisschen vor mich hinklimpere und -komponiere.

Klar, ich würde jeden Rechtsstreit gegen diesen Menschen im Handumdrehen gewinnen. Aber will ich das wirklich? Möchte ich Anwälte bezahlen müssen, um ich selbst sein zu dürfen? Und später dabei trotzdem wissen, dass das alles (was mir btw heilig ist!) hier nicht erwünscht ist?

Nein.

Und jetzt reicht es. Das Leben ist viel zu kurz.

Welcome to K-Castle!

Im März/April werde ich zusammen mit Frau K. umziehen. Und zwar in ein auf den zweiten Blick gar nicht ganz so einsames, sehr individuelles Häuschen im Wald, das nur mittels 150m Fußmarsch den Berg hoch zu erreichen ist. Mit einer sehr schönen Aussicht, einem großen Garten, und einer hübschen Terrasse.

In der Anzeige stand schon, dass die ganze Sache nur etwas für Inidividualisten und naturverbundene Menschen ist… und richtig, wo andere sich ganz schockiert umschauten und nicht wussten was sie mit der Wohnung anfangen sollten, da verliebten wir beiden uns sofort.

Der Umstand, dass man mit dem Auto an das Gebäude nicht rankommt? Egal. Dass man schwere Lasten mit einem Raupenfahrzeug hochbringen muss? Geschenkt. Es gibt solche Orte, die haben eine Ausstrahlung, an der man merkt: Es stimmt einfach.

Das Hexenhäuschen in Karlsruhe war so ein Ort.

Und das Häuschen am Hang (das auf den Resten einer alten Ritterburg erbaut wurde) ist auch so ein Ort.

Natürlich sind die beiden Orte überhaupt nicht vergleichbar. Das Hexenhäuschen mit seiner ganzen Bibliothek an Geschichten, die darin und darum herum stattgefunden haben… und die Burg, ein bisher noch unbeschriebenes Blatt.

Aber es ist ein Blatt, auf dem Geschichten entstehen können. Und Lieder. Und Bilder. Sehr viel mehr, als das im Meisengarten jemals möglich gewesen wäre.

Das spürt man einfach.

(PS.: Es gibt natürlich noch viel mehr Bilder vom alten Hexenhäuschen in Karlsruhe. Analoge. Ganz alte, wunderschöne. Nicht nur die paar digitalen von 2002, die ich glücklicherweise zur Hand hatte.  Aber bis jetzt war’s mir einfach zu traurig, die rauszusuchen und zu veröffentlichen… wer weiss, vielleicht wird sich das ja irgendwann ändern…)

15 thoughts on “Entscheidungen”

  1. ich finde es spannend, dass ich zu K-Castle jetzt schon “Zuhause” sage,obwohl wir da noch gar nicht wohnen und zum jetzigen “Zuhause” alte Wohnung.

    Es war nicht richtig schlecht hier, aber auch nicht wirklich wir.

    Ich bin sehr gespannt auf die nächste Zeit und freu mich drauf.

  2. Ich glaube, Ihr habt ein echtes Zuhause gefunden, ein lebendiges. Eines, das genau zu Euch passt. Eines, in dem Ihr Euch auch von den Schrecken, die das Leben so bieten kann, erholen und regenieren könnt.
    Und ein Zuhause, in dem Ihr viele Geschichten erleben werden (und erzählen werdet – bin schon sehr gespannt), einfach, weil Ihr darin einfach leben könnt!

    Die besten Wünsche Euch! Kann nach dem letzten Jahr nur alles besser werden!

  3. Wie sieht denn Euer Mietvertrag aus? Da steht sich was drüber, dass ihr nur Untermieter der Burggespennstfamilie seid, oder?

    Aber ich finde es toll. Ich liebe die Gegend dort. Den Berg. Die Burg.

    1. Hm, im Vertrag steht, dass wir die Gespenster nicht fotografieren dürfen, und auch nicht darüber reden oder bloggen… oops, verdammt…!

  4. Habt Ihr das neue Haus gekauft? Wisst ihr was Euer Grundstück wert ist? Ich möchte nämlich auch etwas ab vom Schuss kaufen und informiere mich gerade über grobe Richtwerte…
    so einen Untermieter wie Du hatte ich auch einmal, da durfte ich nach 9 Uhr abends nicht mehr durchs Wohnzimmer laufen, ohne dass das Telefon klingelte. Irgendwann bin ich dann seinetwegen ausgezogen, weil ich mir nicht wegen so einer Person das Leben zur Hölle machen lassen wollte… Vielleicht muss man das dann einfach als Chance begreifen, bei mir hatte es letztenendes nur positive Nachwirkungen..
    lg Steffen

    1. Nee, nicht gekauft… das könnten wir uns nicht leisten (zumindest momentan nicht. Es müssten eigentlich nur mal die richtigen Leute Botany Bay hören, aber bislang ist das leider noch nicht passiert… ;-))

      Insofern… leider keine Ahnung was Richtpreise angeht, aber das lässt sich sicherlich irgendwo im großen weiten Netz rauskriegen ;-)

      Nun ja, ich werde der alten Wohnung sicherlich nicht allzu sehr hinterher trauern… wie Katja oben schon geschrieben hat, es war nicht wirklich schlecht, aber es hat sich irgendwie auch nie so angfühlt, als würde sie zu uns passen. Da ist der werte Herr R. eigentlich nur der Tropfen, der das Fass letzten Endes zum Überlaufen gebracht hat.

      Danke und liebe Grüße!
      Stephan

    1. Erst mal gar nicht… da ist nicht wirklich Platz, auch noch ein Studio aufzubauen.

      Ich werd’ ein kleines Keyboard da hin stellen und meine eigenen, kleinen Sachen da machen… aber um Botany Bay wieder richtig ans Laufen zu kriegen, brauchen wir eben einen Proberaum… und irgendwie will das gerade nicht werden. Und glaub’ mir, einfach Leute fragen ob sie was wissen oder sich mal rumhören möchten, das funktioniert nicht. Da hätte ich wohl irgendwie tatsächlich noch mehr machen müssen, als meine gesamte Freizeit draufgehen zu lassen und meine teuer produzierte Musik kostenlos zu verschenken. Vielleicht noch meine Seele und meinen Körper, keine Ahnung…

      Ich bin aber auch wirklich gerade an einem Punkt in meinem Leben angekommen, wo ich sagen muss: “Ok, liebe Welt. Wenn Du nicht willst, dann eben nicht. Es liegt sicher nicht daran, dass ich’s nicht versucht habe.”

      Jetzt erstmal den Umzug hinkriegen, und dann mal weiter schauen.

  5. die ganze geschichte habe ich noch nicht verinnerlicht, aber ab dem Punkt “Haus in KA verkauft” habe ich die Situation erkannt und bietet dir eine Bleibe für Urlaub oder “Kurzaussteigerung” bieten! Hier ist ein Schlafplatz für Fotosessions bereit!
    U R welcome!

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