Wiesbaden Blues





Immer wieder im Leben gibt es diese Momente, da ist die Tatsache, dass man überhaupt einen Fotoapperat dabei hat, wesentlich wichtiger als die Frage, ob es sich um das neueste und schönste Modell handelt.

Wiesbaden, letztes Jahr im Oktober, war genau so ein Fall.

Ich hatte zusammen mit meiner Band, Botany Bay, in Wiesbaden ein Konzert gegeben, weil wir den free music contest gewonnen hatten. Dieses Konzert war zwar beim Publikum glücklicherweise gut angekommen, für mich persönlich war’s allerdings gleich aus mehreren Gründen große Kacke.

Ohne in die Tiefe gehen zu wollen – wie das im Leben manchmal so ist, geschahen damals etliche deprimierende, unnötige und schmerzhafte Dinge, und zwar netterweise alle gleichzeitig… und vermutlich aus dem gleichen Grund habe ich Wiesbaden als Ort in Erinnerung, an dem ich nicht tot aus dem Fenster hängen möchte (oder mir vor dem Bahnhof die Beine in den Rumpf stehen, was sich so ähnlich anfühlt).

Mit unterwegs war eher aus Zufall meine Fototasche und eine alte Minolta Dimage A1. Am Abend des Konzertes war ich nicht dazu gekommen, irgendwelche Fotos zu machen (um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich dachte noch nicht mal im Entferntesten daran).

Am nächsten Tag aber, nachdem wir in unserem Hotelzimmer aufgewacht waren und Wiesbadens trübe Skyline auf uns wirken ließen, da schnappte sich Wolfgang seine Gitarre und ich (in Ermangelung eines Klaviers) eben jene in die Jahre gekommene Dimage A1.

Die Fotos, die an jenem Morgen entstanden, erst im Hotelzimmer und später rund um den Bahnhof, wo ich erstmal erfolglos auf meine Mitfahrgelegenheit wartete, sind für mich heute etwas ganz Besonderes, weil sie meine Stimmung an jenem Tag nahezu perfekt transportieren… und das, obwohl (oder vielleicht auch weil) sie nur mit einer uralten 5-Megapixel-Knipse aufgenommen wurden.

Was bleibt ist zwar einerseits die Erinnerung an einen dieser Tage, an denen ich mich wie der einsamste und dümmste Mensch auf der ganzen Welt fühlte… andererseits aber eine Sammlung von Bildern, von denen ich sehr froh bin, sie gemacht zu haben.

Denn irgendwie erzählen die Bilder von allem, was damals war. Und ermahnen mich, die Dinge in Zukunft anders in die Hand zu nehmen.

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Mel