oder: Warum ich meinen Google+ Account gelöscht habe.
Ich muss zugeben – ich bin wahrlich kein ausgemachter Philantrop.
Ich mag einzelne Menschen, sehr sogar. Mir ist bewusst, dass Menschen zu Großem und Schönem fähig sein können. Aber ganz allgemein sind mir Menschen eher suspekt. Es gibt immer wieder diejenigen, die behaupten, wir hätten uns in unserer Menschlichkeit ach so sehr weiterentwickelt… ich bin anderer Ansicht. Von Hexenverbrennungen, Blutegelbehandlung, heiliger Inquisition, Ablasshandel und Stasi bis zum Hier und Jetzt ist es nur ein winzig kleiner Schritt, den viele Zeitgenossen geistig noch lange nicht mitgemacht haben.
Eine Begebenheit, die mich in dieser Weltsicht wieder einmal zu 100% bestätigt hat, ist der Klarnamenzwang auf Google+. Über den Unsinn eines Klarnamenzwangs und darüber, dass die Benutzung eines Pseudonyms ein digitales Grundrecht sein sollte, wurde schon an tausend anderen Stellen in aller Ausführlichkeit geschrieben, und ich werde es hier nicht wiederholen.
Ich war auf Google+ mit meinem richtigen Namen angemeldet; ich unterstütze aber volle Kanne die Idee, dass die Verwendung eines Pseudonyms möglich sein sollte; ich sehe sehr viele gute Gründe dafür.
Klar, auf facebook sollte man auch seinen richtigen Namen verwenden, aber Google+ wollte besser sein. Und Google hatte sich vor zig Jahren ganz gross “don’t be evil” auf seine Fahnen geschrieben.
Aber darum geht es gar nicht.
Es geht darum, dass das, was sich auf Google+ momentan in der Klarnamensdiskussion abspielt, das allerfinsterste Mittelalter ist.
Da gibt es jede Menge Leute, die nichts anderes zu tun haben, als den ganzen Tag andere Leute anzuschwärzen, weil sie ein Pseudonym verwenden.
Da gibt es Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken mit “dann geh doch nach drüben wenn’s Dir nicht passt“, “man muss sich eben an Regeln halten“, “Du brauchst hier ja nicht angemeldet zu sein“, “wer nichts zu verbergen hat braucht auch kein Pseudonym” und sonstigen unreflektierten Stammtisch-Plattitüden um sich werfen, und zwar unter Beiträgen von Teilnehmern, von deren Hintergrund sie nicht die geringste Ahnung und deren Beweggründe sie nichtmal ansatzweise zu verstehen versucht haben.
Die gleichen Leute, die es so toll finden, dass facebook angeblich den arabischen Frühling ermöglicht hat.
Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.
Ich habe heute mein Google+ Profil gelöscht, nachdem sie meine Freundin rausgeekelt haben.
Meine Freundin, die ich jeden Morgen mit “Guten Morgen, Frau K.” begrüße; die ich unter dem Namen “Frau K.” kennengelernt habe, die jede Menge andere Menschen ausschließlich unter dem Namen “Frau K.” kennen, und die dieses Alias seit einem Zeitpunkt verwendet, zu dem die meisten der denunzierenden Stammtischbrüder auf G+ noch nicht mal wussten, dass es das Internet überhaupt gibt.
Die Menschheit? Weiterentwickelt?
Dass ich nicht lache.
Viel Spaß mit den Fackeln und dem Scheiterhaufen.
Oh, falls mich jemand in sozialen Netzwerken sucht, es gibt mich auf facebook und auf Diaspora.
3 thoughts on “Menschen essen Blutwurst”