Das Kreuz mit den Sternchen





(Bild: Frau K.)

Eigentlich sind wir – das heisst, Frau K. und ich – wahrlich schon lange genug im Internet unterwegs, um einigermaßen gut gegen die kleinen und großen Enttäuschungen des Publizierens im WWW gewappnet zu sein.

Gemeint ist hier vor allem die Tatsache, dass die Quantität des Feedbacks – seien es nun Sternchen auf Flickr oder Herzchen auf Twitter oder “Likes” auf Facebook oder was auch immer irgendwo sonst – keinerlei Rückschlüsse auf die Qualität des jeweiligen Inhalts zulässt.

Ebensowenig wie die Anzahl der Besuche auf einem Blog oder gar die Anzahl an “Followern” auf Twitter – wie beispielsweise mein guter Freund Lothar R. sehr eindrucksvoll zu beweisen weiß.

Frau K. und ich waren schon auf fotocommunity.de, als diese noch eine kleine unscheinbare Klitsche in Bonn war und der selige Agfa Box noch unter uns weilte. Wir waren schon mit unseren ersten Accounts auf Flickr angemeldet als es gerade mal aus seiner Eigenschaft als Bestandteil von Game Neverending herausgewachsen war und noch lange nicht Yahoo gehörte.

Wir können wirklich mit Fug und Recht von uns behaupten, dass wir alt genug sind. Dass wir wissen wie es funktioniert mit Sternchen und Likes und Galerien und Explore* und all dem Blödsinn, und dass man sich davon gar nie niemals nicht beeinflussen lassen sollte.

Trotzdem passiert es uns immer wieder. Normalerweise passiert es mir… aber am Osterwochenende war Frau K. dran und stellte sich die Sinnfrage – warum man überhaupt Dinge im Netz veröffentlicht, wenn jedes inhaltsleere 08/15-Lifestyle-Blog** und jeder getwitterte Pups potentiell mehr Aufmerksamkeit erfährt als das, was man selbst kreativ erschafft.

Und da ich sehr gut weiss wie sich sowas anfühlt (und wie blödsinnig es im Endeffekt ist), tut es mir umso mehr weh wenn ich das bei jemandem mir nahestehendem beobachte.

Deshalb möchte ich Dir an dieser Stelle selbst und persönlich die Antwort geben, die Du ja eigentlich schon kennst, liebe Katja:

Wir tun es zuallererst für uns.

Und dann natürlich für die wenigen aber dafür umso tolleren Menschen, die uns eben doch folgen und beobachten und sich an unseren Werken erfreuen.

Wir und die sind es wert, allemal.

Und nicht die Massen, die auf als “Lifestyle-Blogs” getarnten Werbeschleudern irgendwelche Affiliate-Links klicken und konsumieren was das Zug hält, auf Fotoseiten nach dem nächsten schnellen HDR/InstagramFilter-Kick suchen oder aufs Sternchen drücken weil/damit bei ihnen auch aufs Sternchen gedrückt wurde/wird. Die haben unsere Sehnsucht überhaupt nicht verdient.

Und weil das so ist gibt’s heute auf massenbelichtungswaffen.de ein Bild von Katja, das auf Flickr komplett und gnadenlos untergeht… das mich persönlich aber ganz enorm anspricht und mich in meiner Überzeugung bestärkt, mich nicht von Sternchen auf Flickr oder sonstigem digitalem Feedback beirren zu lassen.


* Zugegebenermaßen hab ich auf flickr auch ein paar Bilder “in Explore”. Aber meine besten Werke sind das natürlich nicht, und das ist auch gut so (und bestätigt meine Aussage einmal mehr).

** Damit wir uns nicht falsch verstehen: Von mir aus darf der ganze Lifestyle-Affiliate-Werbeblödsinn ruhig existieren, aber es ist echt unglücklich und unpassend, das ebenfalls als “Bloggen” zu bezeichnen. Man bräuchte da m.E. einen neuen Begriff, das würde schon einiges wieder gut machen.

Das ist übrigens so ähnlich wie das Spekulieren mit Aktien. Von  mir aus darf es das ruhig geben. Aber dass das, was dabei rumkommt auch “Geld” heisst und das gleiche kauft wie das, was man mit ehrlicher und harter Arbeit verdient, das ist m.E. einfach nicht fair und nicht passend. Aber ich schweife ab…

8 thoughts on “Das Kreuz mit den Sternchen”

  1. Das Gefühl kenne ich sehr gut. Ich war ja hier und da ein Weggefährte und habe den Frust mitbekommen. Aber so ist das eben mit dem Marketing. Du musst nicht unbedingt ein toller Künstler sein um Deine Kunst erfolgreich zu verkaufen. Dass es nichts Neues ist, kann man übrigens in den vielen Museen dieser Welt sehen…

  2. Man macht es m.E. nicht nur für sich, sondern auch für das fragliche Artefakt. Bei jeder Veröffentlichung frage ich mich, ist das Bild jetz gut genug, der Text korrekt genug, der Gag originell genug oder auch das Video kurzweilig genug, um veröffentlicht zu werden. Oder stelle ich einen solchen Anspruch tatsächlich an dieses Werk? Oder will ich lieber etwas Unscharfes, Verwackeltes und Dahingerotztes zeigen? Auch wenn eigentlich niemand guckt, meine Ideen und Belanglosigkeiten werden durch den Prozess des Veröffentlichens angereichert. Irgendwie.

    Ich weiss es doch auch nicht …

  3. Für diese anderen “Blogs” gibt es doch einen Namen: “Content Marketing”. Schönes Neusprech und der Begriff ist genauso inhaltsleer wie die zugehörigen Webseiten, die auf dem gleichen CMS aufgebaut sind, wie Blogs.

    Ansonsten Eure Fotos mit der Massenware zu vergleichen, ist doch so ähnlich wie der Vergleich von hochwertiger Literatur mit RTLII. Oder so.

    1. Ja, aber siehst Du, da ist das Problem.

      Diese Leute sagen ja nicht von sich selbst: “Ich mache Content Marketing”.

      Die sagen: “Ich bin Blogger”. Die behaupten allen Ernstes, dass sie bloggen. Und treffen sich auf “Blogger”-Treffen. Und führen irgendwelche “Blogger”-Charts an.

      Und glauben auch noch selbst dran.

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