Modelle 2.0 (Teil 1)





Es gibt im Bezug auf Fotografie ein Thema, mit dem ich gerade in letzter Zeit immer mal wieder in Berührung komme, und das mich immer wieder aufs Neue ins Grübeln bringt.

Ich mache ja bekanntermaßen Fotos. Und zwar tu ich das sehr gerne. Auch von Menschen. Angezogen, nackt, draußen, drin… mir egal.

Dies bringt natürlich mit sich, dass dazu Modelle vorhanden sein müssen.

“Früher”, in meinen jungen, wilden Jahren, als ich noch studierte, mein Leben noch einfach (oder zumindest: einfacher) und mein Kopf noch angefüllt mit naiven Vorstellungen (wie zum Beispiel jener, dass Botany Bay sicherlich irgendwann entdeckt werden würde) war, da stellte dies kein großes Problem dar. Ich kannte genug Menschen, die mich auch kannten, und die u.U. sogar die gleichen Interessen hatten; also traf man sich, stand sich teilweise sogar gegenseitig Modell und hatte eine gute und entspannte Zeit und erfreute sich danach zusammen an dem Material, das dabei herauskam.

Das alles änderte sich, als ich eines Tages gezwungen war, nach Bonn zu ziehen und mich kopfüber in die sogenannte corporate world zu stürzen und fortan etwas zu führen, was der Bezeichnung “geregeltes Leben” eine ganze Ecke näher kam, als das, was ich in Karlsruhe und Heidelberg bis dahin gehabt hatte.

Nun ja, ich bin eigentlich ein Mensch, der kreativ ist und sehr schnell neue Kontakte knüpft, aber man muss eben auch den Tatsachen ins Auge sehen: Ein fester Teil der 9h-18h-Maschinerie zu sein stört mitunter ganz enorm dabei, sich weiterhin der Kunst zu widmen oder neue Gleichgesinnte zu finden. Klar, es geht irgendwie, aber es ist verdammt schwer (und deshalb hier auch ne kurze off-topic-Nachricht an die Leute, die noch an der Schule oder Uni sind und irgendwas mit Musik oder Photographie machen: Macht was aus eurer Zeit! Sie wird euch früh genug weggenommen werden, und dass ihr eigentlich gerne mehr “Künstler” sein wollt, das werden diejenigen um euch herum später nicht verstehen, und es wird ihnen auch vollkommen scheißegal sein!)

Und so machte ich die Erfahrung, dass in dieser neuen Welt einiges vollkommen anders lief (und immer noch läuft), als ich es von meiner alten Welt gewohnt war. Denn fortan suchte ich neue Modelle in meinem neuen unmittelbaren Umfeld und – wir sind ja inzwischen im Web 2.0 angekommen – im Internet.

Das neue unmittelbare Umfeld, also Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich mich nach und nach anfreundete, sowie ihre Freundinnen und Freunde, war dann auch der Auslöser dafür, mich zum ersten Mal intensiv mit anderer Menschen Sichtweise auf Fotografie auseinanderzusetzen.

In diesem neuen Umfeld gaben mir die ersten Reaktionen auf meine Frage, ob denn eventuell Interesse daran bestehe, von mir fotografiert zu werden, gehörig zu denken. Denn diese Reaktionen (hauptsächlich erstaunlicherweise von Frauen, Männer haben hier offensichtlich keine so großen Probleme) bewegten sich von

  • oh, nee, es gibt schon so viele Bilder von mir, lass mal” über
  • mmmmh, neeee, das wär irgendwie komisch “,
  • “äääh, ööööh, weiss nicht, da müsste ich erstmal 10kg abnehmen”, 
  • hmmmm nnjaaaneee… mal schauen… ich muss auf meinen Ruf achten…” bis hin zu
  • nein, wirklich nicht” ohne Angabe von Gründen.

Und selbst wenn ich endlich genug Überzeugungsarbeit geleistet hatte, dass man es mal ausprobierte, dann fiel mit beinahe 100% Wahrscheinlichkeit vorher mehrfach der Satz “aber ich zieh mich auf gar keinen Fall aus!” (wobei ich das niemals auch nur als Option vorgeschlagen hatte).

Betrachtete man nach einem harten Tag der Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit dann aber das facebook-Profil der Betroffenen (ich nenne sie im Folgenden prototypisch Madame X.), so entfaltete sich mehr als einmal ein Bild des Grauens, wie es schlimmer nicht sein hätte sein können.

Denn es finden sich dort üblicherweise eine oder mehrere der folgenden Bildkategorien:

  • Madame X. frontal angeblitzt, mittig und überbelichtet mit leuchtend roten Zombie-Augen, den Mund zu einem Grinsen verzogen, das aus ihrem eigentlich sehr schönen Gesicht mehr als einmal eine furchterregende Fratze macht, wobei jedes einzelne Fältchen im Gesicht durch die Point-And-Shoot-Blitzlichtorgie zigtausendfach verstärkt wird.
  • Madame X. in einem mit dem Handy erstellten Selbstportrait vor dem Badezimmerspiegel. Mittig, unscharf, verpixelt und, aufgrund der mehr als unzulänglichen Optik beider Geräte, unschön verzerrt.
  • Alle möglichen (frontal geblitzten, überbelichteten) Bilder von Madame X. mit Weinflasche, Bierflasche, Martiniflasche, Cocktailglas, etc. pp.; dabei fallen die Augenlider von Madame X. von Bild zu Bild mehr zu, auf den späteren Bildern mit Alkohol-Accessoires stellen sich allmählich ein hässliches Schielen und progressiv immer mehr verschmierte Schminke ein.
  • Madame X. (evtl. immer noch / schon wieder mit Flasche und mit Grinsen) beim Tanzen auf einer von Rauchschwaden durchsetzten Tanzfläche, dabei sind die unvorteilhaftesten Posen fotografisch eingefangen, die man sich nur vorstellen kann.
  • Madame X. in den Armen ihrer diversen Freundinnen (die übrigens alle ebenso schlimm aussehen) und in Umarmung mit mehreren verschiedenen Männern, von denen jedem einzelnen sehr deutlich anzusehen ist, dass er es kaum erwarten kann, dass Madame X. oder eine ihrer Freundinnen endlich besoffen genug ist, um mit ihm an Ort und Stelle in die Kiste zu steigen.
  • Undsoweiter undsofort.
"Nee, bei Dir muss man sich ja ausziehen!"
“Nee, bei Dir muss man sich ja ausziehen!”

Ich möchte an dieser Stelle nicht zum Thema machen, dass ich tausendmal lieber jederzeit alle Hüllen fallen lassen würde, als solche Bilder von mir irgendwo veröffentlicht zu wissen. Und auch nicht, dass für Menschen wie mich die Sache mit dem Ruf vollständig vorbei ist, sobald sie auch nur eines dieser Machwerke gesehen haben. Auch nicht, dass ich selbst besoffen und mit einem abgesäbelten Arm und einer Augenbinde und einer Holga 120 bessere Bilder hinbekommen würde.

Aber eines macht mich nachdenklich, und das ist diese enorme Kluft zwischen “ich stell den letzten Scheiß von mir freiwillig ins Web” und “ich möchte nicht, dass jemand versucht, schöne Bilder von mir zu machen.”

Man könnte jetzt natürlich auf die Idee kommen, es liege vielleicht an mir persönlich; an meiner Person oder meinem Auftreten. Das können wir allerdings ausschließen, denn ich kenne etliche andere Fotografen, denen es genau so geht; und ich kenne mich persönlich lange genug, als dass ich sagen kann, dass ich größtenteils ein sehr umgänglicher Mensch bin.

Was ist also anders?

Gut, zunächst ist ein universitäres Umfeld natürlich ein Stück weit offener, freier und experimentierfreudiger als Menschen, die am Anfang von oder mitten im Berufsleben stehen.

Aber das kann allenfalls ein kleiner Faktor und nicht die gesamte Antwort sein, denn ich knüpfe Kontakte eigentlich bevorzugt mit ebenfalls aufgeschlossenen Menschen, und ausserdem waren die meisten der von mir Befragten dem universitären Umfeld noch nicht lange genug entsprungen, als dass die oft zu beobachtenden ich-will-vom-Leben-nur-noch-meine-Ruhe-und-heiraten-und-ein-Kind-und-ein-Haus-Mechanismen schon eingesetzt haben könnten.

Was also sonst noch?

Man erinnere sich – als ich mit der Fotografie anfing, da war das WWW noch nicht geboren, es gab noch keine Digiknipsen, und erst recht keine Handys mit eingebauter Kamera; und als ich damit begann, Modelle zu fotografieren, da waren die Geräte noch mehrere Jahre davon entfernt, sich in jedermanns Besitz zu befinden… ebenso wie wir noch weit entfernt von facebook, google+, twitter, wer-kennt-wen & Co. waren  – und der Tatsache, dass alle plus ihre Oma und ihr Hund einen Account haben.

Inzwischen jedoch ist dies alles im Überfluss und überall vorhanden – und ich bin zu der Ansicht gelangt, die Antwort auf meine Frage liegt genau darin, wie dieses sogenannte Web 2.0 Leben und Sichtweisen verändert hat.

Es liegt mir vollkommen fern, an dieser Stelle einem dem Zeitgeist geschuldeten, ungebremsten Kulturpessimismus zu frönen und alles Neue zu verdammen… ich benutze facebook, google+, twitter, flickr und nicht zuletzt dieses Blog recht umfangreich, um meine Bilder (klappt einigermaßen) und meine Musik (klappt null) zu promoten und mit Freunden in Kontakt zu bleiben (klappt super).

Trotzdem glaube ich, dass mit diesen neuen Plattformen und einer Flut von Digitalkameras und Foto-Smartphones für jedermann eine ganz neue Generation herangewachsen ist… eine Generation, für die Fotos etwas vollkommen anderes sind als für mich. Eine Generation, die Fotos als etwas definiert, was man mit dem Handy macht und nach einer Party in soziale Netzwerke postet. Eine Generation, der überhaupt nie bewusst wurde, dass man auch von ganz normalen Menschen schöne Fotos machen kann.

Verständlich, dass es sich unter diesen Umständen schwierig gestaltet, sich auf dieses “Andere” einzulassen.

Wenn über Jahre hinweg erlernt wurde, dass der Prozess des Fotografierens grundsätzlich nur innerhalb einer für die Fotografie unspezifischen Domäne (Parties, Lust und Laune, Alkohol, Langeweile), von nur einer spezifischen Gruppe von Agenten (Menschen, die zufällig ein Handy dabei haben und noch in der Lage sind, es zu bedienen) und mit nur einem spezifischen Endergebnis (Scheiße) ausgeführt wird, dann muss dem Betroffenen jedes auch nur halbwegs ansehnliche Portfolio im Vergleich dazu wie eine fremde, unerreichbare Welt vorkommen.

Eine Welt, in der Dinge sichtbar sind, die es in der eigenen nicht gibt und nicht geben kann. Eine Welt in der sich fremdartige und wundersame Wesen tummeln. Eine Welt, deren Betrachtung Gefühle auszulösen vermag, die sich weit jenseits von “hihi, geile Party, was war ich besoffen” oder “cool, ich kann mit meinem Nokia in den Spiegel knipsen” bewegen.

Mit nur ein bisschen Einfühlungsvermögen wird schnell klar, dass so etwas ganz gehörig Angst machen kann.

Aber so traurig diese Situation auch ist – es gibt auch gute Nachrichten. Der Mensch ist lernfähig. Nach viel Überzeugungsarbeit und nach meistens nur einem ersten Shooting wurde schon so einigen klar, dass diese wundersame Welt keineswegs fremd ist, sondern gleich nebenan stattfindet.

Ich muss allerdings gestehen, ich fühle mich allmählich zu alt für derlei selbstlose Aufklärungsbemühungen. Wer mir heute noch mit “ääääh, neee, ich weeeeeißjanicht…” kommt und gleichzeitig eine einzige fotografische Bad-Taste-Orgie online hat, den lasse ich mittlerweile ohne viele weitere Worte einfach ziehen. Ja, das ist in gewisser Weise traurig, aber ich denke, ich habe in dieser Richtung schon genug getan.

Tja, und was mich an der zweiten für mich neuen Methode, neue Modelle kennenzulernen – nämlich online – über alle Maßen nachdenklich macht, das erzähle ich dann vermutlich demnächst auf diesem Fotoblog… in Teil II dieses Essays… bis dahin, viel Spaß mit den Bildern!

P.S.: Alle in diesem Beitrag abgebildeten Personen stehen in keinerlei Zusammenhang zum Inhalt. Sie sind einfach nur da um den Text aufzulockern und zu zeigen, dass es auch anders geht.

26 thoughts on “Modelle 2.0 (Teil 1)”

  1. Wäre da wahrscheinlich bei der 10-kg-Abnehm-Fraktion. ;) Die schönsten Fotos sind doch die, die 10 Jahre alt sind! Andererseits gibt es von mir auf FB auch keinerlei Fotos außer meinem Profilfoto, die nicht mindestens 20 Jahre alt wären. :D

    Nehme aber auch an, dass Digitalkameras bei der Entwicklung eine große Rolle spielen – und vielleicht, dass nicht nur Du, sondern auch die Leute um Dich rum weniger Zeit haben.

  2. Sehr schön geschriebener Artikel. Leider müssen wir uns damit abfinden, die Flut an Fotohandys lässt ja jeden zum Fotograf werden, und je höher die Megapixels, desto größer das Selbstvertrauen (um nicht Überheblichkeit zu sagen…) in die eigenen Fertigkeiten…

  3. Ich stelle das auch immer wieder in puncto Landschaftsfotografie, Urlaubsfotgrafie, etc. fest.

    Die Leute fragen mich immer wieder warum ich eigentlich fast ständig irgendwelche Bilder mache. Und was ich dann damit anfange. Wenn ich dann sage “die stell ich im Internet aus oder häng sie mir an die Wand” kucken sie komisch.

    Irgendwann stolpern sie dann mal bei irgendeinem SocialNetwork Dings drüber und dann kommt meist “du kannst das ja richtig, etc.”

    Viele denke wahrscheinlich dann tatsächlich nur an ihre eigene Rumknipserei. Was ja nicht verkehrt sein muss, aber mal über den Tellerrand kucken hat noch niemanden geschadet.

  4. Und schreiben kannst Du auch…
    Vieles von dem, was Du hier rausgehauen hast klingt selbst für mich als Blümchen- und Schliderknipser absolut nachvollziehbar.
    Auch ich komme mir manchmal vor als lebte ich in einer völlig anderen (Bilder-) Welt als mein Umfeld.
    Die Erfahrung, dass viele Menschen nicht fotografiert werden wollen obwohl sie schlimme Selfies von sich online stellen bestärkt mich in meiner Meinung, dass z.B. diese ganze Street-Geschichte in eine ziemlich falsche Richtung läuft.
    Danke für den Beitrag.

  5. Wirklich guter Artikel und eine sehr traurige Geschichte. Ich gebe dir Recht, dass die fortschreitende mediale Degeneration der Menschen eine Rolle spielt. Es gibt viele Arten der Fotografie und die eigene, bringt man den Menschen am Besten in Form seines Portfolios näher, denke ich. Vielleicht einfach mal mit einer kleinen Mappe in der Hand das nächste Mal fragen. Damit werden falsche Vorstellungen direkt mal ausgeräumt.

  6. @BB: Ist eh klar, dass die Bilder von “früher” immer besser sind :) Aber ich glaube gar nicht so sehr, dass die Zeit da wirklich so eine große Rolle spielt. Ich hab die “Zeit”-Ausrede bislang auch wirklich noch nicht gehört…

    @Chris: Es ist ja per se nicht mal schlimm, dass jeder mit einer Billigknipse rumrennt oder mit dem Handy zu fotografieren müssen meint. Traurig ist es aber, wenn allzuviel davon so beliebig und fürchterlich schlecht ist, dass alles andere unerreichbar und gefährlich erscheinen muss…

    @Frau K.: Eben genau das ist ja das Problem. Ich könnte das Ganze sogar problemlos auf die Musik ausweiten. Es gibt so viel Rauschen da draußen, dass es nicht mal so ist, dass das Signal nicht auffällt… nein, die Leute sind sich gar nicht mehr darüber im Klaren, dass das Signal überhaupt existiert. Wenn ich davon erzähle, dass ich Musik mache, schalten alle erstmal ganz schnell auf totales Desinteresse (bester Beweis: Dieser Artikel. Von den mittlerweile über 1000 Besuchern haben ganz genau null auf den Musik-Link geklickt). Warum? Weil sie von anderen nur den Effekt kennen, dass Musik, die ein vermeintlicher “Amateur” ohne Plattenvertrag ins Netz stellt, nichts taugen kann. Sie kennen aus ihren bisherigen Erfahrungen hauptsächlich amateurhaftes Gothic/Heavy-Metal/Ambient/Techno-Geblubber und sind überzeugt, hinter einem “Musik”-Link kann nix vernünftiges sein. Wer will es ihnen auch verübeln, bei dem gigantischen Überangebot an Entropie da draussen?

    @Herr Olsen: Danke Dir. Ich seh’ mich ja gar nicht als Profi oder ausgemachten Menschenfotograf; es ist nur so, dass da “draussen” wirklich einiges falsch läuft… insbesondere eben, dass das Publikum sich immer mehr dazu verleiten lässt, ein Medium durch seine allerbeschränkteste und schlechteste Ausführung zu definieren.

    @Jonathan: Danke :) Hilft aber auch nix. In der Tat schicke ich zumeist erstmal einen Link auf mein flickr-Portfolio per eMail (da sind noch nicht mal nackte Leute drin, die einem Angst machen könnten)… aber ich denke, das hat nicht den gewünschten Effekt. Wie im Artikel schon erwähnt, diese Bilder sehen im Vergleich zu den allgegenwärtigen fb-Dingern so vollkommen anders aus, dass viele Menschen die gewünschte lernpsychologische Transferleistung nicht zustande kriegen.

    Danke euch allen!

  7. Du, nach ein bisschen Rumsurfen heute ist mir einfach klar geworden: Die Leute können sich wohl nicht auf Bilder mit Poesie einstellen. Platt abknipsen, das war’s, mehr, denkt wohl so mancher, ist aus einem Bild nicht rauszuholen.

    Stimmt halt nicht.

    Aber es gibt auch so manchen, der denkt (zumindest ist er über die reine Megapixel=Qualität – Denke raus), dass er, wenn er eine gute Kamera hat, auch gute Bilder macht. (Ich denke da gerade an einen Bloggerfeind von mir. Der muss eine sündteure Kamera haben und denkt, er sei ein guter Fotograf (so hat er das auch in seinem Blog gesagt, in anderen Worten natürlich), dabei hält er einfach nur drauf.)

    Allgemein sind Plattheiten und Eitelkeiten ohne was dahinter einfach weit verbreitet.

    Auch nicht mein Ding, das stimmt.

  8. @Violine: Naja, die Equipment-Frage, die möchte ich hier gar nicht reinbringen. Ich bin zwar jetzt ziemlich rigoros über Fotohandys und Billigknipsen hergezogen (und wurde dafür woanders natürlich wieder mal der Arroganz bezichtigt), Tatsache ist aber, dass viele meiner besten Digitalfotos mit einer 3.2 Megapixel-Cam gemacht wurden ;-)

    Über die Tatsache dass viele Menschen der Meinung sind, wenn sie nur das beste und teuerste haben und jedes technische Detail kennen und in den einschlägigen Foren schlau mitdiskutieren, dann kommen auch gute Bilder raus, möchte ich eigentlich auch nicht reden… ins Internet kann eben jeder Idiot reinschreiben was er für richtig hält, das ist teilweise ja auch das Schöne daran.

    Aber mir ging’s in dem Artikel ja um etwas ganz anders – nämlich, wie sich die Wahrnehmung von Fotografie (und Fotografen wie mir) in den letzten Jahren dank der neuen Publikationsmöglichkeiten und dank des neuen Umgangs mit Fotos verändert hat. Und hier sehe ich halt einen wirklich krassen Unterschied zu früher. Bzw., ich stelle die These auf, dass die schiere Anzahl an Schrott und die Tatsache, dass soziale Netzwerke täglich mit hunderttausenden von mal-so-nebenbei-Bildchen befüllt werden, die Menschen vergessen (oder erst überhaupt nie lernen) lässt, dass es auch anders geht.

    Erstaunlicherweise passiert das in leicht abgewandelter Form auch in jenen Sektoren, in denen die Leute sich “professionell” nennen oder sich hübsche Pseudonyme wie Herr-K-Photo-ART zulegen. Man muss nur mal ein paar Stunden in der Model-Kartei verbringen, und man stolpert über hunderte von Modelle, die der Welt auf ihren Sedcards voller Stolz schöne, tote, normretuschierte, gleichgeschaltete, ausdruckslose Studiofotografie als der Weisheit letzter Schluss präesentieren. Und dafür kriegen sie von anderen Modellen und Fotografen richtig viel Lob und Anerkennung, werden wieder gebucht und weiterempfohlen, und andere Modelle wollen das Gleiche haben weil es ja so gut ankommt… und so befruchtet sich der seelenlose Zirkus munter bis in alle Ewigkeit selbst. Nun ja, aber über die model-kartei wollte ich ja irgendwann mal später ausführlicher schreiben.

    Anyway, was mir wichtig zu sagen war, es geht mir um Sichtweisen. Und zwar nicht ausschließlich von Menschen die sich mit der Technik auskennen und sonst nix, oder die sich dafür interessieren… nein, von Menschen, die damit gar nicht so in Berührung kommen, die aber diese ganze schöne neue Online-Welt mit der Muttermilch aufgesaugt haben. ;)

  9. Zuerst mal Hallo, es ist schließlich mein erster Kommentar hier. Ich habe über Tillas Lesemempfehlung hergefunden.

    Interessante Gedanken auch in den Kommentaren. Ich nehme folgenden Gedankengang mit. Die Lawine der Bilder auf allen Kanälen verhindert die Auseinandersetzung mit Bildern, die eine längere Betrachtungszeit als 2 Sekunden erfordern. Sich selbst dann intensiv fotografieren zu lassen ist dann natürliche eine immense Herausforderung, solche Bilder sind dann groß und sperrig im Fluss der Momentaufnahmen.

    In Sachen Musik … dann bin ich wohl der erste der auf den Link geklickt hat. “No Excuse” und “How Am I To Know” sind meine Favoriten. Ja – ich denke für Musik gilt ähnliches. Alles was nicht sofort und schnell verdaulich ist fällt aus der Wahrnehmung.

    1. @Aebby: Ja, genau, so kann man es auch ausdrücken… dass die Auseinandersetzung mit Fotografie in der Flut der fb-party-Knipsebildchen gar nicht stattfinden kann.
      Und was die Musik betrifft: Richtig. Von über 1000 Lesern bist Du tatsächlich der einzige, der das geschafft hat. Danke dafür.
      (Was mich in meiner Weltsicht durchaus bestätigt ;-))

  10. naja … vordergründig ist das alles richtig … lässt nirgends sich ein Widerspruch anbringen … aber eines bleibt hier gänzlich unberücksichtigt: eine “fotografische Bad-Taste-Orgie”, frontal angeblitzt mit leuchtend roten Zombie-Augen, unscharf, verpixelt mit Weinflasche beim Tanzen in unvorteilhaftesten Posen in den Armen ihrer diversen Freundinnen fällt im Strom der millionen und abermillionen Schnappschüsse nicht weiter auf, wird von Freunden und Freundinnen, maximal von Bekannten und schlimmstenfalls von Eltern oder Chef gesehen. Gesehen und vergessen — aus den Augen, aus dem Sinn — niemand wird je wieder danach fragen.

    Entscheidet man sich aber, für einen Fotographen Modell zu stehen, hat das ein ganz anderes Gewicht … es *hat* Gewicht! Hier wird man öffentlich. Nicht nur “Facebook-öffentlich”. Man wird ausgestellt, im Internet, in Zeitschriften, in einem Buch, vielleicht sogar in einer Galerie? Sind Modell und Fotograph erfolgreich, könnte sogar eine gewisse Berühmtheit “passieren”. Insofern kann ich gut verstehen, dass die erste Reaktion zunächst mal nur Zweifel ausdrücken will — sicherlich spielt Koketterie eine gewisse Rolle; aber von einem Fotographen gefragt zu werden, ob man Modell stehen möchte, ist wohl noch nicht so alltäglich wie Digiknipsen heute allgegenwärtig sind.

    1. Wenn dem so ist (und das kann durchaus sein, auch wenn ich das nicht bei allen zu betrachtenden Fällen annehmen möchte), dann besteht aber der große Fehler darin, sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass “Facebook-öffentlich” eben durchaus auch öffentlich ist… eventuell sogar noch viel mehr öffentlich, als es ein Erscheinen auf irgendeiner Webseite von Herrn K. jemals sein kann.
      Wie im Artikel schon erwähnt, wer ein grottiges Party-Freakshow-Sammelsurium von sich online stellt, der läuft m.E. wesentlich eher Gefahr, dass beispielsweise ein möglicher zukünftiger Chef ganz gehörig mit der Stirn runzelt, als wenn da nur ein auch nur einigermaßen gut gemachte Portraits sind.
      Ich möchte mich da auch gar nicht als Moralapostel aufspielen… Party-Freakshow und mit-Billighandy-schlecht-selbstknipsen ist prima und ok… aber eben *auch* öffentlich; und wer schon so frei ist, sich selbst und seiner Umwelt derartiges anzutun, der bräuchte eigentlich keine Angst davor haben, auch mal “richtig” fotografiert zu werden…

  11. Ich glaube, das ist genau der Punkt. Bei Facebook stelle ich ja auch, wenn es denn Leute-Photos sind, nur Schnappschüsse rein, meist mit dem Handy aufgenommen und das ist da auch ok. Das ist wie nackt in der Sauna, da stört es auch keine, in der Fußgängerzone kommt da die Polizei…

    Facebook ist ja letztlich die Onlineversion des alten sich mit Familie oder Freunde treffen, mit einander über Gott und die Welt quatschen oder eben die letzten Urlaubsfotos zeigen. Das ist Alltag und die Fotos sehen eben so aus. Und die sahen auch schon immer so aus, es gab sie nur nicht in der Masse und so öffentlich.

    Was ganz anderes ist es, wenn ich ein Foto mache um seiner selbst willen, nicht als technische Erinnerungshilfe. Das braucht Zeit, Konzentration und vielleicht auch etwas Erfahrung, in jedem Fall ein ganz anderes Bewusstsein und natürlich mache ich mir dann auch Gedanken über das danach und die Wirkung des Bildes, bzw. wenn ich selbst auf dem Bild bin, wie ich auf dem Bild wirke.

    Und wenn ich auch in beiden Fällen am Ende rein technisch das gleiche bekomme, sind es doch ganz verschiedenen Dinge. Beim Essen/Kochen ist es doch das gleiche. Satt werden wir alle, aber wann hat/macht man schon mal was besonderes? Ganz selten, manch einer nie, ein andere traut es sich einfach nicht zu.

    Ein Masse/Niveau-Problem beim Fotografieren sehe ich eher beim Fotografen, oder denen, die sich dafür halten, nicht bei den Knipsern, die mit dem Handy oder billig Kamera bei Facebook aktiv sind. Es haben einfach zu viele Leute eine zugute Ausrüstung und machen damit zu viele durchschnittliche Bilder. Technisch perfekt, aber seelenlos. Das nervt einerseits, wenn man damit persönlich konfrontiert wird, andererseits macht es auch vieles kaputt, denn es entwertet die Arbeit der wirklichen Profis, die davon leben müssen.

    1. Wie ich schon in der Antwort auf Björn geschrieben habe: Es ist für mich eben beides Öffentlichkeit. Klar beurteile ich als Fotograf Bilder nochmal ein ganzes Stück anders als andere Menschen (vermutlich rolle ich auch wesentlich eher mit den Augen), aber selbst wenn ich das alles abschalten könnte, dann wären es noch immer Fotos für mich, und nicht “Un-Fotos”, die etwas vollkommen anderes darstellen als das was ich mit dem Begriff gemeinhin verbinde. Aber vielleicht bin ich da auch nur viel zu festgefahren…

      Das Masse/Niveau-Problem bei Fotografen ist definitiv vorhanden, 10 Minuten surfen in der Model-Kartei reichen vollkommen, um das zu beweisen ;-) Da wollte ich auch mehr darüber in Teil 2 schreiben… aber das wird nicht einfach, weil ich befürchte, das Thema ist vortrefflich dazu geeignet, von einer Menge Leuten falsch verstanden zu werden und im Nachgang dann Neid und Missgunst attestiert zu bekommen…

  12. Ich warte auf den zweiten Teil…. Schreib den mal.
    Zur Musik kann ic nicht viel sagen, tut mir leid, da kenne ich mich nicht aus.
    Es ist bei den Fotos aber so, daß ich es genauso sehe, Facebook ist öffentlich und wer von sich billige Besoffskiebilder drin hat und als Tussie oder kleiner Macker da auftritt, der ist eben so und macht das öffentlich. Früher wußte es jeder im Dorf oder der Siedlung, heute weiß es jeder der “Freunde” auf Facebook und sonstwo. Das ist eine einfachere Form, sich einen Ruf aufzubauen und den zu verbreiten, technisch gesehen sind das Bilder, ja, aber ein echtes Foto braucht Verstand der Beteiligten und ein Gesprür für die Sache und meistens auch Erfahrung. Und Erfahrung heißt nicht, schon 300 bescheuerte Fotos auf dem Handy zu haben oder schon 5 Mädchen in sexy Wäsche im Hobbystudio mit der geilen XYZ digispiegelwasweiß ich geknipst zu haben… Ich meine Erfahrung im BIldermachen. Und dabei nimmt man professionellen Fotografen auch nichts weg, die machen nämlich meisten Werbung oder fotografieren Pizza für Iglo oder den Playboy…..

  13. Frage mich gerade, ob es beruhigend oder frustrierend ist, dass sich auch Fotografen, die besser und ambitionierter sind als ich, immer wieder mit solchen Reserviertheiten konfrontiert sehen.
    Zum Glück geht es gelegentlich ja auch anders… selten und wertvoll.

  14. Die Frage, die ich mir mittlerweile stelle: ist diesen Models a la “Madame X” überhaupt noch bewußt, daß Fotografie auch etwas mit Respekt zu tun hat? Respekt vor dem Model?

    DAS ist nämlich das, was als erstes bei den typischen Facebook-Profil-Fotos verloren geht. Oftmals auch ein Stück weit der Selbstrespekt :-(

    1. Naja, zumindest ein oder zwei Mesdames X’, denen ich irgendwann mal das große Geschenk angeboten habe, Fotos von ihnen zu machen, und die mich dann mit der “mmmnnjjjaaweissnichöööhkooomischneeeeweissnichundichziehmichaufkeinenfallaus!”-Leier bestraften, ist das inzwischen vollkommen klar. Und die entsprechenden Facebook-Profile haben eine Verwandlung hinter sich, wie sie drastischer nicht sein könnte.

      Das ist ein Lerneffekt, denke ich.

      Wie schon im Artikel geschrieben – wenn man nichts anderes kennt als die besoffenen Freundinnen, die auf der Partymeile – höhööö, lall – schief ins grelle Blitzlicht grinsen bevor sie sich endlich abschleppen lassen, dann ist der eigene Anspruch nicht besonders hoch, und auch nicht das Wissen darüber, was eigentlich möglich ist, und wie schön das sein kann.

      (Das lässt sich übrigens auf relativ viele Bereiche des Lebens ausdehnen, aber damit fang’ ich jetzt erst gar nicht an… ;-))

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