OCOLOY: Warum?





Sony ILCE-7 + FE 55mm f1.8 ZA

Die letzten drei Jahre waren alles andere als leicht für mich.

Ich habe Vater und Mutter verloren (letzteres ist gerade mal einen Monat her, und es lässt sich noch immer nicht in Worte fassen, wie sich das anfühlt, weswegen ich es hier auch gar nicht versuchen werde), ich habe durch eine Firmenpleite meinen absoluten Traumjob verloren, ich habe eine Band verloren die mir unendlich viel wert war, und ich habe einen kleinen schwarzen Hund verloren den ich über alles liebte…

Wenn mir das Leben so einen enormen Haufen Scheißdreck hinwirft, dann reagiere ich – unter anderem – leider oft damit, dass ich mich zum Trost wildem und ungehemmtem Konsum hingebe. Und so wuchs in den letzten drei Jahren meine Photographica-Ausstattung auf bis dahin ungeahnte Ausmasse an. Man könnte sogar sagen, die Anzahl an neuem fotografischen Equipment im Hause K. verhielt sich umgekehrt reziprok zu meinem fotografischen Output.

2008, Dynax 5D + Minolta AF 28mm f2.8
2008, Dynax 5D + Minolta AF 28mm f2.8

Und eigentlich ist das die totale Ironie, denn es war mir schon immer herzlich egal, mit welcher Kamera irgendjemand fotografierte. Besser gesagt finde ich nichts lächerlicher als die in Fotografieforen so beliebten Marken-Grabenkämpfe und die Tatsache, dass Menschen Stolz und Selbstwertgefühl daraus ziehen, dass ein gewisser Markenname auf ihrer Kamera prangt.

Was Digitalkameras betraf, war ich lange Zeit mit meiner alten Dynax 5D mehr als zufrieden… bis mir DSLRs irgendwann zu groß und zu sperrig wurden und eine hübsche kleine Olympus Pen bei mir einzog. Diese wurde dann im Jahre 2012 durch eine OM-D ersetzt, weil ein eingebauter Sucher halt schon toll ist, tja, und dann dachte ich eigentlich, die reicht mir die nächsten zehn Jahre lang.

2010, Olympus E-P2 + Panasonic 20mm f1.7
2010, Olympus E-P2 + Panasonic 20mm f1.7

Und dann begann der ganze Mist.

Und als Frau K. sich im Dezember des nächsten Jahres dann eine Fuji X-Pro1 zulegte und ich mal kurz damit rumspielen durfte, da wurde mir bewussst: Mensch, das Ding bedient sich ja wie eine richtige Kamera! Mit Blende und Belichtungszeit und ganz ohne unnötigen Firlefanz. Und die Kombination aus Sensor und Optiken war so verdammt gut, dass die Bilder aus einer X-Pro1 schon beinahe analog anmuteten. Relativ schnell war klar, ich brauchte auch so eine.

2014, Fuji X-Pro1 + Takumar 58mm f2.0
2014, Fuji X-Pro1 + Takumar 58mm f2.0

Das ging knapp ein Jahr lang gut. Innerhalb dieses Jahres adaptierte ich alle möglichen Linsen, die ich von meinem Vater geerbt hatte, auf die X-Pro1 und war begeistert davon, wie beinahe analog das alles aussah und wie traditionell die Bedienung sich gestaltete. Im Herbst 2014 hatte ich dann die Möglichkeit, zu einem gnadenlos billigen Preis an eine Vollformat-Spiegelrelfexkamera zu kommen, eine Sony Alpha 850. Man erinnere sich, vermittels der Dynax 5 hatte ich eine Vergangenheit in Minolta-Optiken (und die Alpha 850 ist eigentlich eine Minolta-Kamera… die letzte richtige Minolta-Kamera, ehe Sony damit anfing, die Kameras mit allem möglichen technischen Hyper-Schnickschnack zuzukleistern, aber dazu später mehr); und weil mich der schnarchige Autofokus der X-Pro1 beim Fotografieren der schnellen Buba und ihren noch schnelleren Kinderchen eh an den Rand des Wahnsinns brachte, griff ich zu.

2015, Sony A850 + Minolta 85mm f1.4G
2015, Sony A850 + Minolta 85mm f1.4G

Wieder eine Kamera mit 35mm-Sensor zu haben, war eine Offenbarung. Ich bin nun wahrlich kein “Vollformat is das einzig wahre“-Prediger, aber meine frühjugendliche Sozialisierung mit dem Medium Fotografie fand nun mal über lange Jahre hinweg über 35mm Film statt. Das war ich gewohnt, hier fühlte ich mich wohl, und mit der Sony zu fotografieren, das war so ähnlich, wie nach einer langen Reise wieder zuhause anzukommen. Die X-Pro1 wurde alsbald nur noch selten angefasst, und alles war beinahe gut.

Nur war da ein Problem. Die Alpha 850, mit ihrem ebenso grandiosen wie gewaltigen Pentaprisma, ist im Vergleich zur X-Pro1 oder gar der OM-D ein fürchterlich schweres Ding, und alte Linsen lassen sich auch lange nicht so leicht an sie adaptieren wie an spiegellose Kameras.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Sony hatte nur ein Jahr vorher eine spiegellose Vollformatkamera vorgestellt, an die mittels Adapter auch die alten Minolta/Alpha-Linsen passten. Und genau so eine, genauer gesagt eine Alpha 7, kam schließlich ins Haus… endlich. Eine kompakte Vollformatkamera, an die man alle möglichen alten Linsen adaptieren konnte, und die mit all meinen Minolta-Schätzchen funktionieren würde. Alles war gut, oder?

2015, Sony ILCE-7 + Minolta AF 70-210 f4
2015, Sony ILCE-7 + Minolta AF 70-210 f4

Leider natürlich nicht ganz.

An dieser Stelle kann ich nur eine grobe Vermutung darüber anstellen, was im Hause Sony wohl passiert sein mag. Und zwar: Man kaufte die Kamerasparte von Konica-Minolta auf und brachte zunächst mal ein paar sehr nette Alpha-DSLRs auf den Markt. Dann, über die nächsten Jahre hinweg, feuerte man all die Leute, die jahrzehntelanges Know-How hatten und ganz genau wussten, was Fotografen wollten und wie man Kameras für Fotografen konstruierte.

Stattdessen setzte man ein Team von jungen Hipstern hin und sagte ihnen: “Hergehört, Olympus baut spiegellose Kameras, Panasonic baut spiegellose Kameras, Fuji baut spiegellose Kameras… und wir müssen auch welche bauen. Und unsere müssen besser, geiler, schneller, grösser und toller als alle anderen sein, mehr Features als alle anderen haben, und jede davon muss sich bedienen wie ein verdammtes Stück komplizierte Unterhaltungselektronik, denn das ist genau das, was wir machen“.

Und so kam es. Die Alpha 7 ist zwar wirklich sehr schön geworden, sie hat einen tollen Sensor mit einem tollen Dynamikumfang, es gibt äußerst geniale Zeiss-Optiken dafür, die einen in punkto Schärfeübergang, Bokeh und Zeichnung ehrfürchtig auf die Knie gehen lassen… aber trotzdem greift man sich beim Fotografieren öfter mal an den Kopf und fragt sich, ob im Entwicklerteam auch nur ein einziger Fotograf saß, und was Sony eigentlich mit seiner kostbaren Minolta-Erbschaft angestellt hat.

2015, Sony ILCE-7 + Carl Zeiss Skoparex 35mm f3.4
2015, Sony ILCE-7 + Carl Zeiss Skoparex 35mm f3.4

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, nur ein paar kurze Beispiele: Um einen AF-Punkt auszuwählen oder die Vergrößerung für das manuelle Fokussieren einzustellen brauche ich mindestens zwei Tastendrücke. Um zwischen möglichen AF-Konfigurationen umzuschalten brauche ich einen Tastendruck und einen Dreh an einem fürchterlich fiddeligen kleinen grottigen itsy-bitsy Rädchen, das garantiert nicht auf der Auswahl stehen bleibt, die ich haben möchte. Die Menüs sind eine unübersichtliche und unlogische Katastrophe und vollgestopft mit Schwachsinn, welchen nur mit Fotografie nicht im geringsten vertrautes Middle Management für eine gute Idee halten kann (merkt man, dass ich mal im Fotobusiness gearbeitet habe?)… was möchte ich bitte mit “Soft Skin Effect” oder “Auto Object Framing” im Haupt-Kamera-Einstellungen-Menü? Und wozu braucht eine ernsthafte Kamera Apps oder gar einen App Store?

Und schon wünschte ich mir die Fuji zurück.

Beziehungsweise, ich wünschte mir, Sony würde seinem UX-Team fristlos kündigen und die Benutzerführung der Alpha-Kameras in Zukunft an Fuji outsourcen.

Und schon hielt ich Ausschau nach einer gerüchteweise diesen Januar erscheinenden X-Pro2, die eventuell die Lösung für mein Dilemma sein könnte.

2015, Sony ILCE-7 + Minolta 70-210 f.4
2015, Sony ILCE-7 + Minolta 70-210 f.4

Und dann dachte ich mir eines schönen Tages: Moment, das alles führt viel zu weit. Ich habe in den letzten drei Jahren drei verschiedene Kameras besessen, habe dafür aber kaum bessere Bilder gemacht und hatte kaum Zeit, eine der Kameras vernünftig kennenzulernen oder wenigstens mal einen ordentlichen Abzug von einem besonders gelungenen Bild zu machen… oder sonst irgendwie dafür zu sorgen dass die Welt was von meinem Equipment-Wahn hat. Und überhaupt ist das alles Jammern auf extrem hohen Niveau… die A7 bedient sich zwar stellenweise wie eine unter Windows Vista laufende Kuh, insgesamt aber nicht wesentlich schlechter als die selige Dynax 5, mit der ich jahrelang fotografiert habe.

Tja, und just als mir diese Einsicht kam, da las ich zufällig auf Mike Johnstons exzellentem “The Online Photographer” von einem ziemlich genialen Projekt, das er seinen Lesern ans Herz legte: One Camera, One Lens, One Year.

Was Johnston dort vorschlägt, das ist nicht nur ein simples 365er “mach jeden Tag ein Bild und poste es irgendwohin“-Projekt, sondern es geht auch darum, Abzüge zu machen… und eine Kamera und ein Objektiv richtig gut kennenzulernen.

Genau das was ich brauche, um von meiner hoffnungslosen Suche nach der idealen Kamera wieder runterzukommen, und wieder einfach nur Fotos zu machen.

Und wie das funktionieren wird, und womit, und was dieses Blog damit zu tun haben wird, das erzähle ich dann demnächst :)

Sony A850 + Minolta 28mm f2.8
2015, Sony A850 + Minolta 28mm f2.8

6 thoughts on “OCOLOY: Warum?”

  1. das klingt spannend und wäre wohl mal was um mein hin und hergehopse einzudämmen (in der beziehung sind wir uns recht ähnlich) – aaaber solche #365 – tage – dingens sind nicht meins. ich bin nicht ausdauernd und zuverlässig genug. (wäre ja die zweite herausforderung). und was mache ich mit meinen zig iphone-bildern? zählen die nicht?

    ich freue mich aber auf die bilder – von euch beiden jeden tag ein bild – das erspart viel klickerei im netz um was gutes zu finden…

    1. Ich nehme an, ab und an mal das iPhone zu zücken, das wäre schon irgendwie erlaubt. Aber zum Projekt zählen würden sie natürlich nicht… tjahaaaa, und ob ich ausdauernd und zuverlässig genug sind, das ist tatsächlich auch die Frage. :) 2017 werden wir es wissen…

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